Funkgeschichte Österreichs
 

Kurzgeschichte der Funktechnik und der Entstehung des Radios in Österreich




Prologe
 
1 )  Telegrafie ohne Funk
Im Zuge der nach der französischen Revolution aufkeimenden Kriege Frankreichs mit seinen Nachbarländern wurden bereits in Ansätzen vorhandene Konzepte zur Übertragung von Informationen über große Entfernungen in die Realität umgesetzt. Das Grundprinzip bestand darin, mit auf Türmen angebrachten Hebeln Zeichen zu geben. Die unterschiedliche Stellung der Hebel erlaubte eine Vielzahl von Zeichen. An jeder dieser Telegraphenstationen, die in Abständen von 10 bis 20 km eingerichtet waren, taten 2 Leute Dienst - einer zur Beobachtung der letzten vorgeschalteten Station und einer zur Betätigung des Hebelmechanismus.
1794 entstand die erste Langstrecken-Telegraphieverbindung zwischen Paris und Lille an der Grenze zu Belgien (damals "Österreichische Niederlande") mit 22 Stationen (Semaphor genannt) auf 225 km. Unter Napoleon entstand ein landesweites Netz von optischen Telegraphielinien; die längste zwischen Paris und Toulon hatte 120 Stationen. Zur selben Zeit entstanden auch in Schweden, Großbritannien und den USA optische Telegraphieverbindungen (in den USA allerdings zur Übermittlung von kommerziellen Nachrichten).
Das französische System bestand aus zwei schwenkbaren Hebeln - Indikator und Regulator genannt. Zur Vermeidung von Verwechslungen durfte der Regulator nur die Stellungen 0° und 90° einnehmen, während für den Indikator die 4 Stellungen 0°, 45°, 90° und 135° möglich waren. Das ergab insgesamt 92 unterschiedliche darstellbare Zeichen. Die Übertragungsgeschwindigkeit betrug etwa 20 Zeichen pro Minute. Bei der Einstellung des optischen Telegraphienetzes in Frankreich 1852 betrug die Netzlänge 4800 km mit 556 Stationen, wobei rund 3000 Personen beschäftigt waren. Die letzten optischen Telegraphiestrecken wurden 1881 in Schweden außer Dienst gestellt.
Erst ab 1832 gelangte in Preußen ein optischen Telegraphiesystem zur Anwendung, das mit einem aus 3 Flügelpaaren bestehenden Mechanismus arbeitete. Damit konnten theoretisch 4096 unterschiedliche Zeichen dargestellt werden.
Im März 1850 gab es in Südtirol erstmals Versuche mit optischer Telegrafie in Österreich, die allerdings ein grober Fehlschlag waren. Doch schon ab 1840 wurden in Europa die ersten elektrischen Telegraphieverbindungen eingerichtet. Die erste österreichische Drahttelegrafiestrecke ging am 4. Juli 1845 entlang der Nordbahn in Betrieb (3. Bahntelegrafiestrecke im deutschen Sprachraum).
In der Folge verlief die Entwicklung in Österreich zäh und die Donaumonarchie geriet gegenüber den anderen Großstaaten in Europa ins Hintertreffen. Grund dafür war in erster Linie das mangelnde Interesse der Wirtschaft, die in weiten Teilen des Reiches sehr rückständig war. Neben den Ober- und Niederösterreich verfügten nur die Steiermark, Böhmen und Schlesien über eine höher entwickelte Industrie. Österreich hing sich in der Folge an Deutschland an, wo nach England die wichtigsten Entwicklungen und Innovationen in der Telekommunikation passierten.
 
2 )  Marconi
Der Beginn der Funktechnik ist untrennbar mit dem Namen Guglielmo Marconi verbunden, der zwar nichts Grundlegendes erfunden hat, aber mehrere Erfindungen zu einer praktischen Umsetzung führte, die letztlich die Welt veränderte. Am 10. Mai 1897 begann er mit seinen bahnbrechenden Fernübertragungsversuchen in England. Weil damit vor allem ein militärischer Zweck verfolgt wurde, waren nur wenige ausländische Beobachter zugelassen. Einer der wenigen war Prof. Adolph Slaby aus Berlin, der selbst schon ähnliche Versuche an der technischen Hochschule in Berlin mit allerdings wenig brauchbaren Ergebnissen durchführte. Slaby führte auf Marconis Versuche beruhende Experimente im Juni 1897 in Berlin durch und konnte in der Folge zahlreiche Verbesserungen an den Apparaten Marconis erreichen. In der AEG fand er einen Geldgeber, um Geräte vornehmlich für die im Aufbau befindliche Deutsche Flotte herzustellen. Am 1. November 1897 hielt Slaby einen Vortrag vor dem "Verein zur Förderung des Gewerbefleißes" in Wien. Slaby brachte sein von AEG finanziertes Unternehmen 1903 in das Unternehmen "Telefunken" ein - einem Gemeinschaftsunternehmen von AEG und Siemens.
Bedingt durch die noch nicht ausgereifte Technik war aber Marconi anfänglich kommerziell nicht so erfolgreich wie erhofft. Bei den Marinemanövern 1899 wurden erstmals Marconi-Stationen getestet und brachten zwar viel beachtete, aber dennoch für die Praxis unbefriedigende Ergebnisse. Beim Burenkrieg versagten die beiden fahrbaren Stationen, wodurch die Militärs in Bezug auf eine Einführung der Radiotelegrafie eine abwartende Haltung einnahmen. Somit versuchte Marconi, über den Schifffahrtsversicherer Lloyds ein Telegrafiesystem für die zivile Hochseeschifffahrt zu installieren. Daneben sollte auch eine transkontinentale Telegrafieverbindung hergestellt werden. Am 12. Dezember 1901 kam es schließlich zur legendären Übertragung von Morsezeichen zwischen Neufundland und England. Trotz technischer Probleme, die vor allem den technisch mangelhaften Empfängern zuzuschreiben waren, kam es am 16. Dezember 1902 zur Aufnahme der drahtlosen Telegrammübermittlung von beiden Seiten des Atlantiks.
Als am 3. August 1903 in Berlin die erste Konferenz über Radiotelegrafie zusammentrat, gab es schon 9 Transatlantiklinien und 40 Schiffsstationen.
 
3 )  Entwicklung in Deutschland
Ferdinand Braun führte weitgehend unabhängig von Marconi in Straßburg Funkversuche durch und entwickelte einen abstimmbaren Empfänger sowie einen effektiveren Sender. Im Herbst 1898 wurde in der Nordsee damit experimentiert und eine Funkstrecke zwischen Cuxhaven und Helgoland eingerichtet. 1901 wurden die ersten Kriegsschiffe mit Funkapparaten ausgestattet.
Bis 1908 war das auf Marconi beruhende Funkensystem die einzige Methode zur Übertragung von Signalen mit elektromagnetischen Wellen. Erst ab 1906 entwickelte der Däne Valdemar Poulsen das Lichtbogensystem, mit dem auch Sprache und Musik übertragen werden konnten.
Das Poulsen-System wurde in der Folge von der Firma C. Lorenz in Leipzig in Lizenz genutzt. Da die Übertragung von Sprache zum damaligen Zeitpunkt - wegen der fast ausschließlichen militärischen Nutzung der Funktechnik - nicht notwendig bzw. sogar - wegen der damals nicht möglichen Verschlüsselung von Sprache - als unerwünscht angesehen wurde, konnte sich das Poulsen-System nicht auf breiter Front durchsetzen.
Damit geriet jedoch Telefunken unter Druck, da die Entscheidung zugunsten des Telefunkensystems zur einheitlichen Ausrüstung von Armee und Marine noch einmal überdacht werden sollte. Telefunken versuchte, die Poulsen-Patentrechte zu übergehen und es gelang, eine "Kopie" des Poulsen-Systems zu entwickeln, das bei der praktischen Vorführung Ende 1907 aber versagte. Es kam in der Folge überdies zu Patentrechtsprozessen, deren Ausgang für Telefunken schwerwiegende Folgen haben konnte. Daher beschritt man den Weg, ein eigenes modifiziertes Funkensystem zu entwickeln.
Die vorwiegend militärischen Auftraggeber waren bestrebt, Druck auf Telefunken auszuüben und förderten daher parallel auch die Entwicklungsarbeiten bei C. Lorenz, wobei letztlich aber eine Präferenz zu Gunsten Telefunkens bestand. Im Herbst 1908 wurde das "Tönefunken"-System den Militärs erfolgreich präsentiert und schon 1909 stand Telefunken als Systemlieferant fest. Den raschen Aufstieg von Telefunken betrachtete die weltweit auf diesem Gebiet führende Marconi-Gesellschaft als Bedrohung. Zahlreiche Patentrechtsprozesse endeten 1913 in einem Vergleich, wobei Marconi die Gleichstellung Telefunkens anerkannte und die Aufteilung der Welt in Interessensgebiete festgelegt wurde. In Europa wiederum sollten gemeinsame Betriebsgesellschaften gebildet werden.
1908 gab es weltweit etwa 1500 Funkstationen, davon 670 auf Kriegsschiffen, 170 auf Passagier- und Handelsschiffen, 150 auf staatlichen Leuchttürmen, 195 Küstenfunkstellen sowie 55 fahrbare Militärstationen.
Die Verbesserung der Sendetechnik musste auch neue Empfänger bewirken. Zuerst wurden zum Empfang der Telegrafiesignale mechanische Relaisempfänger - Cohärer genannt - verwendet. Diese waren für hohe Frequenzen zu träge. Schon 1901 erfand Schlöhmilch den Detektor, der sich ab etwa 1910 durchsetzte.
Die letzte bedeutende Erfindung vor dem 1. Weltkrieg machte der Serbe Nicola Tesla mit der Hochfrequenz-Dynamomaschine. Damit konnten ungedämpfte Schwingungen maschinell (anstelle des Lichtbogens wie bei Poulsen) in effektiverer Weise erzeugt werden. Dynamomaschinen nach diesem Prinzip entwickelten Goldschmidt in Deutschland und Lee de Forest in den USA. Wegen des großen technischen Aufwandes war diese Technik aber nur für Großsendestationen geeignet - dafür hier die erste Wahl. Nach dem Goldschmidt-Prinzip wurden noch 1913 von der C. Lorenz AG zwei Großsendestationen in Eilvese/Deutschland (20 km NW Hannover) und Tuckerton/USA errichtet und zwischen beiden eine Telegrafieverbindung eingerichtet. Telefunken baute auf Grundlage einer ähnlichen Technologie Stationen in Nauen/Deutschland (20 km NW Berlin) und Sayville/USA.
 
4 )  Zwischenruf aus Österreich
Doch auch in Österreich gab es einige bedeutende Versuche zur Funktechnik. So führte schon 1899 der Postingenieur Carl Hubmann in Wien drahtlose Telegrafie vor. Für einen Praterunternehmer baute er sogar eine mit Radiowellen arbeitende Musikübertragungsanlage. Hubmann bot seine Erfindung unter anderem Siemens & Halske an, die jedoch keine Verwertungsmöglichkeiten sahen, da eine Sprachübertragung für eine militärische Nutzung wegen des Mangels der "Geheimhaltung" ausschied.
In Graz führte der Technikprofessor Otto Nußbaumer 1904 bahnbrechende Versuche der drahtlosen Musik- und Sprachübertragung durch - manche behaupten, sie wären die ersten "Rundfunkübertragungen" der Geschichte gewesen; ein Verdienst, das allgemein dem kanadischen Wissenschaftler Reginald Aubrey Fessenden angerechnet wird. Nußbaumer führte am 15. Juni 1904 erstmals eine funktelegrafische Übertragung im Physikalischen Institut der Technischen Universität in Graz vor, wobei er eine Wellenlänge von etwa 18 Metern benutze. Der Erfinder sang selbst das Lied "Hoch vom Dachstein an" und bewies die Möglichkeit, selbst Musik störungsfrei und ohne große Verzerrungen auf elektromagnetischen Weg übertragen zu können. Die überbrückte Strecke betrug freilich nur 20 Meter.
 
5 )  Beginn der Röhrentechnik
Den entscheidenden Fortschritt in der Funktechnik brachte die Erfindung der Verstärkerröhre. Lee de Forest hatte in den USA seine "Audion"-Röhre am 25. Oktober 1906 zum Patent angemeldet, und Reginald A. Fessenden führte schon Ende 1906 Musikversuchssendungen mit einem anderen Röhrensystem durch. Doch letztlich setzte sich die von Robert von Lieben in Wien 1906 erfundene Kathodenstrahlröhre (Patentanmeldung am 4. März 1906) für den Funkbetrieb durch, welche allerdings ursprünglich gar nicht für den Funkbetrieb, sondern als Verstärkerröhre im Telefonbetrieb gedacht war. Die ersten praktisch einsetzbaren Sende- wie Empfangsgeräte mit Röhrentechnologie wurden dann während des 1. Weltkrieges produziert, wobei Europa bedingt durch die Kriegsauswirkungen gegenüber den USA ins Hintertreffen gelangte.
In Deutschland wurden entlang der Front Funktelegrafenstationen nach bewährtem Prinzip errichtet. Die Verdichtung des Netzes und ihre Anzahl (mehr als Verhundertfachung während des Krieges) führte zu gegenseitigen Störungen, sodass 1917 auch vermehrt Röhrenstationen dazukamen, obgleich deren technische Möglichkeiten durch die vorgegebene Aufgabestellung nicht ausgeschöpft werden konnten.
Mit Ende des 1. Weltkrieges verlor die einseitig auf militärische Aufgaben orientierte Funkindustrie einen Großteil ihrer Existenzberechtigung und musste sich nach neuen Aufgabenstellungen umsehen.
 

1898 - (auch) Österreich telegrafiert

letzte Änderung: 12.02.2005

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