Die Eroberung des "Äthers"



Der Begriff "Äther" wurde von Aristoteles für das fünfte, himmlische Element geprägt. In der neuzeitlichen Physik (beginnend mit R. Descartes und C. Huygens) diente der Äther als hypothetisches Medium, das die Vermittlung von Fernwirkungen, besonders von Gravitationskräften, und die Ausbreitung von Licht und elektromagnetischer Wellen erklären sollte. Längst ist nachgewiesen, dass es den "Äther" nicht gibt; in der Funktechnik ist der antiquierte Begriff jedoch noch in Verwendung.
Der englische Physiker James Maxwell wies 1864 erstmals auf die theoretische Existenz einer bis dahin unbekannten Strahlung hin, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Sie wird heute als Radiowellen bezeichnet. 1888 gelang es dem deutschen Physiker Heinrich Hertz, die elektromagnetischen Wellen experimentell nachzuweisen, in dem er elektrische Energie über einen geringe Entfernung durch die Luft übertrug.
Guglielmo Marconi, geboren am 25. April 1874 in Bologna, interessierte sich bereits als Junge für die Elektrizitätslehre. Ab 1894 arbeitete er an der Nutzung der elektromagnetischen Wellen zur Signalübertragung. Er konstruierte einen Sender- der aus einem Hertzschen Funkenerzeuger und einem Brandlyschen Kohärer bestand und sendete damit ein Funksignal durch den Raum, das eine Klingel zum Läuten brachte. 1895 sendete er nahe Bologna erstmals die drei Morse-Punkte des Buchstaben S über eine Entfernung von etwa einen Kilometer, obwohl zwischen Sende- und Empfangsgerät ein Hügel lag.
Da sich die italienische Regierung für seine Erfindungen nicht interessierte, ging Marconi 1896 nach England, wo er 1897 mit dem Geld britischer Industrieller die Marconi’s Wireless Telegraph Company, Ltd. gründet. England war damals die größte Seemacht der Erde und die Nützlichkeit der drahtlosen Nachrichtenübermittlung über große Entfernung wurde rasch erkannt. Im selben Jahr gelang ihm eine drahtlose Signalübertragung über eine Distanz von 15 Kilometern, 1899 über den Ärmelkanal und am 12. Dezember 1901 schließlich die Sendung von Morsezeichen über den Atlantik von Poldhu in Cornwall nach Saint John in Neufundland (3.600 Kilometer), womit er das Rundfunkzeitalter einläutete.
Der deutsche Physiker Karl Ferdinand Braun verlegte 1898 die Funkenstrecke in einen Schwingkreis und koppelte ihn mit einer Antenne. Dadurch wurde es möglich, elektromagnetische Wellen in eine bestimmte Richtung zu senden. Für ihre Verdienste um die drahtlose Telegraphie erhielten Braun und Marconi 1909 gemeinsam den Nobelpreis.
Die Vorteile einer drahtlosen Telegraphie waren offensichtlich. Zwar hatte die Telegraphie mit Hilfe von Unterwasserkabeln, etwa zwischen Europa und den USA das internationale Kommunikationswesen revolutioniert, doch waren die Kosten für die Leitungen unverhältnismäßig hoch. Die Verbindung brach häufig zusammen und die Leitungen konnten in Kriegszeiten leicht gekappt werden. Die drahtlose Telegraphie dagegen ermöglichte einen Nachrichtenverkehr, der nicht unterbrochen werden konnte und keinen großen technischen Aufwand erforderte. Vorerst konnte die Übertragung von Nachrichten nur durch Stromimpulse – also Morsesignale – erfolgen. Erst am Weihnachtsabend des Jahres 1906 gelang dem kanadischen Wissenschaftler Reginald Aubrey Fessenden als Weihnachtsüberraschung das erste Rundfunkprogramm der Welt. Es begann mit Gounods Lied "O heilige Nacht", von Fessenden auf der Violine gespielt. Dann sang und rezitierte er einige Verse aus dem Lukasevangelium. Der nächste Programmpunkt war eine Grammophonwiedergabe von Händels "Largo". Mit der Übermittlung von Weihnachtsgrüßen an seine Zuhörer beendete Fessenden die Funksendung. Sie überraschte einige Bordfunker, die sich in einer Zone von 8 km um die Radiostation befanden.
Dieses Ereignis kann man als die Geburtsstunde des Rundfunks als eines publizistischen Mediums ansehen. Fessenden sendete auf 50 kHz mit 1 kW Sendeleistung von der Küstenfunkstelle in Brant Rock im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts, welche (sowie eine gleichartige Gegenstelle in Machrihanish, Schottland) 1905 als erste Telegraphenstation für den 2-Weg-Transatlantik-Funkverkehr errichtet wurde.
Als Antenne diente ein 128 m hoher, in 4 Ebenen abgespannter Rohrmast, der auf einem Isolator stand, und von dessen Spitze Antennendrähte schräg zum Boden führten. Diese in ihrer Art neuartige "Aerial For Wireless Signaling" meldete Fessenden am 30. März 1905 zum Patent an (US-Patent 793,651). Fessenden war schon 1901/02 im Auftrag des "US Weather Bureau" auf Roanoke Island in North Carolina tätig und errichte hier drei Versuchsanlagen, bei denen er unterschiedliche Arten von Antennen ausprobierte und letztlich diesen sehr wirkungsvollen Antennentyp entwickelte.

Ein Bericht über die Station Brant Rock mit vielen Bildern: http://www.newsm.org/Wireless/Fessenden/Fessenden.html

Die ersten regelmäßigen Rundfunksendungen wurden ab 1907 vom obersten Geschoß des Parker Building in der New Yorker Fourth Avenue ausgestrahlt. Das Programm bestand aus Grammophonaufnahmen. Im September 1907 wurden von einem im Hafen von Brooklyn ankernden Schiff zwei von der schwedischen Sopranistin Eugenia Ferrar gesungene Lieder live übertragen. Betreiber der Station war Lee De Forest, der 1906 die Elektronen-Verstärkerröhre "Audion" erfand. Ihm gelang 1909 gemeinsam mit seiner Schwiegermutter Harriet Stanton Black die Pioniertat der ersten Talksendung. Die beiden diskutierten über das Frauenwahlrecht.
Es dauerte eine Weile, ehe das neue Medium für andere Zwecke entdeckt wurde. Ab 1913 erfolgten über einen Sender am Eiffelturm regelmäßige Ausstrahlungen von Zeitzeichen. 1915 richteten die Amerikaner eine 5400 km lange, mit Röhrenverstärkern ausgerüstete Fernsprechverbindung zwischen New York und San Francisco ein - die erste transkontinentale Telefonverbindung.
In England wurden die ersten regelmäßigen Rundfunksendungen (zweimal täglich eine halbe Stunde Sprache und Musik) in Chelmsford (Essex) zwischen 1919 und 1920 ausgestrahlt. 1922 erfolgte die Gründung der "British Broadcasting Company (BBC) als private Gesellschaft. 1927 wurde die BBC schließlich in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft umgewandelt, die sie bis heute ist.
Unter der Leitung des deutschen Radiopioniers Hans Bredow, der im März 1919 als Ministerialdirektor ins Reichspostministerium berufen wurde und in Berlin am 16. November 1919 in seinem berühmten Vortrag über "Funkentelegraphie und Presse" erstmals die Möglichkeiten eines Rundfunkempfangs für jedermann in der Öffentlichkeit darlegte sowie die Bezeichnung Rundfunk prägte, wurden ab März 1920 in der Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen die ersten Rundfunkversuche in Deutschland unternommen. Am 22. Dezember 1920 übertrug der posteigene Langwellensender Königs Wusterhausen zum ersten Mal ein Instrumentalkonzert.
Die erste Übertragung eines Orchesterkonzertes im Rundfunk fand im April 1920 in San Francisco statt. Aus dem dortigen Theater wurde ein einstündiges Konzert des California Theatre Orchestra unter dem Dirigenten Hermann Heller gesendet.
Die ersten Rundfunknachrichten wurden am 20. August 1920 von der Rundfunkstation 8MK in Detroit (Michigan) ausgestrahlt. Die aus Agenturmeldungen zusammengestellten Nachrichten waren von der Zeitung "Detroit News" zur Verfügung gestellt worden.
Die am 27. Oktober 1920 unter den Codebuchstaben KDKA registrierte Rundfunkstation in Pittsburgh (Pennsylvania) war der erste - nicht mehr Versuchszwecken dienende - kommerzielle und regelmäßig arbeitende Rundfunksender der Welt. Er nahm am 2. November 1920 seinen Betrieb im Mittelwellenbereich auf und sendete unterhaltsame und informative Programme. Zur Eröffnung übertrug die Rundfunkstation KDKA die Wahlergebnisse der damaligen Präsidentschaftswahlen; in den Pausen wurde Musik gesendet.
In der Sowjetunion wurde am 17. September 1922 der erste Radiosender ("Komintern") in Betrieb genommen. Der erste französische Rundfunksender ("Radiola") begann am 6. November 1922 mit der Ausstrahlung seines Programms.
Die erste Rundfunkwerbung wurde am 28. August 1922 von der WEAF-Station, New York, ausgestrahlt und dauerte zehn Minuten. Auftraggeber war die Queensboro Corporation, Gegenstand der Werbung ein neues Appartementhaus in Jackson Heights (New York); ein Mr. Blackwell der Firma Queensboro las den Text. Aufgrund der an fünf aufeinander folgenden Tagen gesendeten Werbespots, für die das Unternehmen 500 Dollar bezahlte, konnten zwei Wohnungen verkauft werden.
Seit 1921 experimentierten amerikanische Funkamateure mit Kurzwellen bis 30 MHz. In der Folge wurden Geräte für die praktische Nutzung dieses Wellenbereichs entwickelt. Die erste Kurzwellen-Rundfunksendung nach Übersee wurde am 11. März 1927 ausgestrahlt. Die Station PCJJ der Philips-Werke in Eindhoven sendete in die niederländischen Kolonien in Ostindien ein Musikprogramm. Am 1. Juni 1927 sprach Königin Wilhelmina zu ihren Untertanen im Kolonialreich.
 

Wie kommt eine Radiowelle in die Luft?
letzte Änderung: 31.03.2010

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