Sendeanlagen in Österreich



 
Richtfunk in Österreich
Erste Weststrecke und Südstrecke
 

Als nach 1945 das Fernsehen und der UKW-Rundfunk eine stürmische Entwicklung nahmen, wurde es notwendig, zur Versorgung der Sendeanlagen entsprechend breitbandige Übertragungsmöglichkeiten zu schaffen. Die bestehenden Fernkabel waren weder qualitativ noch quantitativ dazu geeignet. Somit war es zur damaligen Zeit nur durch die Richtfunktechnik möglich, entsprechend schnell Übertragungskapazitäten einzurichten. Darüber hinaus bot die Richtfunktechnik die Gelegenheit, dringend benötigte Leitungskapazitäten im Ferntelefonverkehr zu schaffen. Weiters wurden auch die Bedürfnisse der Zivilluftfahrt und der Landesverteidigung berücksichtigt.

Bereits 1950 begannen die Planungen für ein Richtfunknetz, dass alle Landeshauptstätte mit Wien verbinden sollte. Zur Versorgung der UKW-Sendeanlagen wurde ein System geschaffen, dass die Übertragung von 3 UKW-Programmen in einer Bandbreite von 30 bis 15.000 Hz im Frequenzband 2060 bis 2300 MHz ermöglichte. Am 28. Februar 1955 begann der Versuchsbetrieb auf einem Rundfunkkanal zwischen Graz-Schöckl und Klagenfurt-Pyramidenkogel. Am 15. März 1956 konnte schließlich der Betrieb mit 3 Rundfunkkanälen auf den Strecken Wien-Salzburg-Innsbruck und Wien-Klagenfurt aufgenommen werden.


Richtfunknetz für den UKW-Rundfunk 1959.

Für die Fernsehversorgung war ein System vorgesehen, dass im 4 GHz-Band arbeitete und pro System wahlweise ein Fernsehprogramm oder 600 Fernsprechkanäle übertragen konnten. Das 4 GHz-System war von Anfang an so ausgelegt, dass auf der gleichen Strecke je Richtung bis zu 6 parallele Richtfunksysteme in einem Band von 3800 bis 4200 MHz eingerichtet werden konnten. Interessant ist, dass anfänglich nur das Bildsignal über Richtfunk übertragen wurde, der Begleitton aber über ein Koaxialkabelnetz zu den Sendeanlagen gelangte.

Da mit dem 4 GHz-System technisches Neuland betreten wurden, war die Planung  langwierig. Sie musste zudem international koordiniert werden. Daher errichtete man für das am 1. August 1955 offiziell begonnene Fernsehprogramm in den 5 Monaten zuvor provisorische Richtfunkstrecken zur Versorgung der ersten Fernsehsender Linz-Freinberg, Salzburg-Gaisberg und Graz-Schöckl von Wien-Kahlenberg aus, wobei allerdings großteils auf die bereits in Aufbau befindlichen Anlagen für das Richtfunksystem zur Versorgung der UKW-Sender zurück gegriffen werden konnte. Dabei kam auf der Strecke Wien-Salzburg ein 2 GHz-System zum Einsatz, während Graz-Schöckl anfänglich ab der Station Sonnwendstein über eine VHF-Verbindung versorgt wurde.


Richtfunkverbindungen zur Bildübertragung des Fernsehprogramms 1959.

Mit dem Aufbau der definitiven Richtfunkanlagen begann man erst Ende 1957. Die Richtfunkstrecke Gaisberg-Patscherkofel konnte am 5. Mai 1958 in Betrieb genommen werden. Die Strecke Patscherkofel-Pfänder folgte am 6. Juni 1959. Noch Ende 1957 erfolgte die Verlängerung der Strecke vom Schöckl über die Koralpe zum Pyramidenkogel bei Klagenfurt auf provisorischer Basis.

Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo für Richtfunkstationen meist große Stahlbetontürme errichtet wurden, bevorzugte man in Österreich Fachwerkkonstruktionen aus Stahlträgern. Dies erfolgte, da die meisten Anlagen auf hohen Bergen errichtet werden sollte, wodurch ein geringes Bauvolumen und -gewicht und damit verbunden eine kurze Errichtungszeit als zweckmäßig erschien.

Besonders anspruchsvoll gestaltete sich der Bau der Anlagen auf exponierten Berggipfeln wie der Zugspitze, wo sich die elektrischen Anlagen in einer unterirdischen Kaverne befinden, und der Valluga am Arlberg, wo ein doppeltes Umlenkspiegelsystem eingerichtet wurde, um die elektrischen Anlagen an einem leichter zugänglichen Ort unterbringen zu können. Dennoch sollten die Anlagen vollautomatisch und unbemannt betrieben werden können. Damit war die Strecke westlich von Salzburg das erste ausgedehnte Richtfunknetz Europas mit Fernüberwachung.

Am 19. Juni 1959 erfolgte schließlich die offizielle Eröffnung des österreichischen Richtfunknetzes in der zuletzt fertig gestellten Anlage am Pfänder bei Bregenz.

Anfang der 1980er-Jahre erfuhr der Richtfunkbetrieb in Österreich eine wesentliche Erweiterung durch das "Richtfunknetz Mitte".

Die Stationen 2008:

Wien-Arsenal


Heute ist der 155 m hohe Richtfunkturm im Arsenal Ausgangspunkt der Richtfunkstrecken. Der Turm und die dazu gehörigen Betriebsgebäude wurden am 8. September 1978 offiziell in Betrieb genommen. Ursprünglich war der Ausgangspunkt ein Stahlgerüst mit Antennenbühnen am Gebäude des Fernmeldebetriebsamtes Schillerplatz.

Kahlenberg bei Wien


Der heutige 165 m hohe Sendemast am Kahlenberg entstand erst 1974. Zuvor trug ein 129 m hoher abgespannter Gittermast die Antennen, der am 10. Oktober 1956 in Betrieb ging. Von 1953 bis 1956 erfüllt die Stephaniewarte (Aussichtsturm) die Funktion des Trägers für Sende- und Richtfunkantennen.

Die "Weststrecke":

Exelberg bei Wien


Entfernung zum Fernmeldeturm Arsenal 13 km. Der 106 m hohe Richtfunkturm auf dem Exelberg im Westen von Wien entstand 1978/79, um die Station Anninger bei Baden zu entlasten. Durch eine Entflechtung der vor 1979 zwischen Wien und dem Anninger parallel geführten West- und Südstrecke konnte die Betriebssicherheit erhöht werden und stellte zusätzliche Frequenzen für den Richtfunkverkehr frei.

Jauerling bei Krems, NÖ


Entfernung zum Fernmeldeturm Exelberg 68 km. Auf dem Jauerling entstand 1955 zunächst eine provisorische Anlage, die Antennen auf 2 abgespannten Gittermasten trug. Die heute bestehende insgesamt 111 m hohe Anlage entstand 1957/58 und besteht aus einer frei stehenden dreieckigen Tischkonstruktion mit einer Plattform für die Richtfunkantennen, auf die ein gelenkig gelagerter abgespannter Mast für die Rundfunk- und TV-Antennen gesetzt ist. Die 2. untere Plattform wurde später ergänzt.

Sonntagberg bei Waidhofen/Ybbs, NÖ


Entfernung zum Jauerling 56 km. Ursprünglich entstand am Sonntagberg nur eine einfache 15 m hohe Dreibeinkonstruktion zur Aufnahme weniger Antennen. Später wurde eine Etage darauf gesetzt und ein weiterer Fachwerkmast gebaut.

Fleckendorf bei Ansfelden, OÖ


Um Linz an das Richtfunknetz anzubinden, entstand zunächst in der Koglerau in der Nähe des Pöstlingbergs nordwestlich von Linz eine provisorische Anlage mit 2 abgespannten Masten, wie sie auch am Jauerling anfangs bestand. 1955 baute man dann bei Fleckendorf bei Ansfelden südlich von Linz einen 110 m hohen freistehenden Fachwerkturm, damals der höchste Richtfunkturm in Österreich. Neben dieser Richtfunkstation bestand auch eine Kurzwellensendestation für den interkontinentalen Telephonieverkehr, wofür 2 Sender zu je 30 kW zur Verfügung standen.
Am 22. September 1978 wurde knapp einen Kilometer nordwestlich der Anlage in Fleckendorf der 93 m hohe Fernmeldeturm Ansfelden eröffnet. Damit erfolgte die Auflassung der Anlage in Fleckendorf. Nach der Nutzung durch das Österreichische Bundesheer wurde 1997 die Liegenschaft verkauft. Der Richtfunkmast wird heute von Mobilfunkbetreibern genutzt.

Entfernung zum Sonntagberg 42,5 km.

Sulzberg bei Haag am Hausruck, OÖ


Entfernung zum Fernmeldeturm Ansfelden 51,5 km. Insgesamt 49 m hohe Richtfunkanlage am Sulzberg am Hausruck.

Gaisberg bei Salzburg


Entfernung zum Sulzberg 53 km. Die erste moderne Großsendeanlage mit einem 73 m hohen frei stehenden Fachwerkmast ging am 22. August 1956 am Gaisberg in Betrieb. Es handelte sich um eine Gemeinschaftsanlage von ORF und der "Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung". Der untere breite Teil des Sendemastes dient dem Richtfunkverkehr. 1956 wurde an der Südseite (im Bild links) der Anlage eine zusätzliche Konstruktion mit 2 Antennenbühnen für Richtfunkzwecke errichtet.

Salzburg-Stadt


Im Fernmeldebetriebsamt Salzburg besteht einer Richtfunkknotenstelle und somit eine Verknüpfung der alten "Weststrecke" mit dem "Richtfunknetz Mitte".

Entfernung zum Gaisberg 4 km.

Loferer Alm, Salzburg


Entfernung zum Gaisberg 42 km. Der Richtfunkmast auf der Loferer Alm ist 60 m hoch.

Kanzelkehre bei Jenbach, Tirol


Entfernung zur Loferer Alm 68 km. Das Richtfunkgerüst an der Kanzelkehre ist 35 m hoch.

Patscherkofel bei Innsbruck, Tirol


Entfernung zur Station Kanzelkehre 33,5 km.

Der Patscherkofel bildet bis heute den einzigen Doppelknoten im Richtfunknetz, weil über die Station sowohl die alte "Weststrecke" als auch das "Richtfunknetz Mitte" laufen.

Innsbruck, Tirol


Im vom Patscherkofelgipfel 6,5 km entfernten Fernmeldebetriebsamt Innsbruck besteht eine Richtfunkknotenstelle für die die alte "Weststrecke" und das "Richtfunknetz Mitte". Zum Zeitpunkt der Aufnahme im Sommer 2010 waren die Richtfunkanlagen am Dach des Gebäudes jedoch schon weitgehend abgebaut.

Zugspitze, Tirol


Entfernung zum Patscherkofel 43 km. Eine Aufnahme vom Zugspitzgrat 1977. Die Staatsgrenze verläuft wenige Meter östlich der beiden Richtfunkstationen. Für die alte "Weststrecke" und das "Richtfunknetz Mitte" bestehen baulich getrennte Relaisstationen, wobei die Station für das "Richtfunknetz Mitte" heute jedoch nur mehr als Reserve dient, da wegen einer höheren Betriebssicherheit als Ersatz eine räumlich weiter entfernte Station am Sießekopf bei Nassereith errichtet wurde. Aktuelle Bilder von der Zugspitze.

Valluga/Ulmer Hütte am Arlberg, Tirol


Entfernung zum Zugspitzgrat 65 km. Die Überquerung des Arlbergs bedeutete auch für den Richtfunk eine große technische Herausforderung. In den 1950er-Jahren trachtete man noch danach, mit möglichst wenigen Relaisstationen auszukommen. Zwischen Zugspitze und Pfänder fand man jedoch keinen Standort, der bei der notwendigen freien Sicht zu den Endpunkten mit vertretbaren Mitteln mit der notwenigen Stromversorgung hätte erschlossen werden können. Man entschloss sich daher, auf der Valluga, einem 2808 m hoher Gipfel oberhalb von St. Anton am Arlberg, eine doppelte Umlenkspiegelanlage zu errichten, welche die Signale zur 526 m tiefer liegenden Relaisstation Ulmer Hütte leitete.


Mit den heutigen technischen Möglichkeiten wäre die Spiegelumlenkung nicht mehr unbedingt nötig, da die viel kompaktere Sendetechnik in einer Station am Gipfel Platz hätte. Längst führt auf den Valluga-Gipfel auch eine Seilbahn und seit 2006 steht ein Niederschlagsradar zwischen den beiden je 32 m² großen Umlenkspiegeln, die auf je 11 m hohen Gerüsten angebracht sind..


Die Relaisstation Ulmer Hütte. Knapp 100 Höhenmeter tiefer und 2 km südlich befindet sich die Relaisstation Galzig des "Richtfunknetzes Mitte".

Pfänder bei Bregenz, Vorarlberg


Entfernung zur Valluga 51 km. Die Anlage am Pfänder entstand als letzte des ersten Richtfunknetzes und ging am 19. Juni 1959 offiziell in Betrieb. Den Endpunkt der "Weststrecke" bildet das Fernmeldebetriebsamt in Feldkirch.

 

Die "Südstrecke":

Anninger bei Baden, NÖ


Entfernung zum Fernmeldeturm Arsenal 17,5 km. Der Richtfunkturm am Anninger im Wienerwald ist 37 m hoch. Bis zur Fertigstellung des Fernmeldeturmes am Exelberg lief auch die "Weststrecke" über den Anninger und weiter zum Jauerling, wofür die Richtfunkantennen auf der obersten Plattform montiert waren.


Im angrenzenden Wald finden sich Fundamente einer Mastabspannung; offenbar von jener provisorischen Richtfunkanlage, die 1955 bis zur Fertigstellung des heutigen Turmes benutzt wurde.

Sonnwendstein am Semmering, NÖ


Entfernung zum Anninger 55,5 km. Links die Radio- und TV-Sendeanlage der ORS, rechts die Richtfunkstation, von der allerdings auch Privatradio senden.

Über die Anlage Sonnwendstein (Hornstrahler oben links, der zur Anlage Rennfeld weist) führt auch die Richtfunkanbindung der Erdefunkstelle Aflenz.

Schöckl bei Graz, Steiermark


Entfernung zum Sonnwendstein 56,5 km. Die Großsendeanlage auf dem Schöckl war ursprünglich zu der auf dem Gaisberg bei Salzburg identisch. Die Inbetriebnahme erfolgte am 4. Oktober 1956. Es handelte sich um eine Gemeinschaftsanlage von ORF und der "Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung". Die Bühnen im unteren Teil des Sendemastes dienen dem Richtfunkverkehr. Im Laufe der Zeit wurden diese Bühnen jedoch umgebaut und erweitert. Zusätzlicher Platz für Richtfunkantennen entstand auf einem gesonderten Gerüst mit 2 Plattformen.

Graz-Stadt


Im vom Schöcklgipfel 14,5 km entfernten Fernmeldebetriebsamt Graz besteht eine Richtfunkknotenstelle.

In der direkten Sichtverbindung von Graz-Stadt zur Koralpe steht der Buchkogel, sodass für Richtfunk keine guten Bedingungen bestehen. Die Richtfunkstrecke von Graz Richtung Kärnten führt somit...

Mellachberg, Steiermark


(Andreas Brudnjak ©)
... zur Station Mellachberg, die 16 km südöstlich von Graz liegt.

(Andreas Brudnjak ©)
Die beiden Hornstrahler links zeigen zur Koralpe. Der Hornstrahler vorne weist zur Station Pohorje bei Maribor in Slowenien.

Koralpe (Steinschneider), Kärnten


Entfernung zum Schöckl 59 km, nach Mellachberg 45,8 km. Die Landesgrenze zur Steiermark verläuft ca. 1,5 km östlich der Station (im Bild Richtung rechts), die auch vom ORF als Sendeanlage für Radio und TV benützt wird.

Klagenfurt, Kärnten


Entfernung zur Koralpe 53,5 km. Das Ende der ursprünglichen "Südstrecke" im Fernmeldebetriebsamt in Klagenfurt. Von Westen her endet hier auch die Alpenquerung des "Richtfunknetzes Mitte".

 

Quellen:
Richtfunk in Österreich. Festschrift anlässlich der offiziellen Inbetriebnahme des österreichischen Richtfunknetzes, Wien 1959
Auszüge aus diversen Fachzeitschriften, zur Verfügung gestellt von Andreas Brudnjak, Graz
 

letzte Änderung: 23.01.2012

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